Die übelriechende Metropole? Olfaktorische Perspektiven auf die Großstadt der Vormoderne

Die übelriechende Metropole? Olfaktorische Perspektiven auf die Großstadt der Vormoderne

Veranstalter
DFG-Graduiertenkolleg 2337 Metropolität in der Vormoderne; Universität Regensburg. Organizatoren: Arabella Cortese, Markus Zimmermann, Julian Zimmermann
Veranstaltungsort
University of Regensburg
Gefördert durch
DFG-Graduiertenkolleg 2337 "Metropolität in der Vormoderne"
PLZ
93040
Ort
Regensburg
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
23.11.2023 - 25.11.2023
Deadline
30.04.2023
Von
Arabella Cortese, Graduiertenkolleg "Metropolität in der Vormoderne", Universität Regensburg

Die übelriechende Metropole? Olfaktorische Perspektiven auf die Großstadt der Vormoderne

Die Beschreibung und Klassifikation von Gerüchen beschäftigte schon die antiken Gelehrten wie Platon (Timaios 67a), der bei diesen zwischen den Angenehmen und den Unangenehmen unterscheidet. Während die angenehmen Gerüche der Antike durchaus schon länger das Interesse der Forschung gefunden haben, wie beispielsweise Paul Faures vor über 30 Jahren erschiene Monographie "Magie der Düfte" zeigt, standen die unangenehmen Gerüche eher weniger in ihrem Fokus.

The malodorous metropolis? Olfactory perspectives on pre-modern metropolises

The description and classification of odours already occupied ancient scholars such as Plato (Timaeus 67a), who distinguished between the pleasant and the unpleasant. While the pleasant smells of antiquity have long been of interest to researchers, as shown by Paul Faure’s monograph Magie der Düfte (Magic of Scents), published more than 30 years ago, unpleasant odours have been less in their focus.

Die übelriechende Metropole? Olfaktorische Perspektiven auf die Großstadt der Vormoderne

Das Potential, das eine Beschäftigung mit dem Themenbereich "unangenehme Gerüche" hat, wurde in Bezug auf Rom durch einige Beiträge im wichtigen Sammelband von M. Bradley aufgezeigt (Smell and the Ancient Senses, London/New York 2015). Aus archäologischer Perspektive hat G.E. Thüry mit seinem 2001 erschienenen Buch „Müll und Marmorsäulen“ gezeigt, dass das Bild der sauberen römischen Stadt eine moderne Verklärung ist. Anders sieht dies mit Blick auf das Mittelalter aus. Der populärwissenschaftliche Blick auf das „dunkle Zeitalter“, dem sich die Forschung schon lange und mit gutem Grund verwehrt, evoziert geradezu das Bild der dreckigen, stinkenden mittelalterlichen Stadt. So richtig es ist, dass sich die Forschung gegen solch pauschalisierenden Urteile verwehrt, so gewinnbringend kann trotzdem der Blick auf Texte und weitere Quellen der Epoche sein, die einen üblen Geruch als Wesensmerkmal der (Groß-)Stadt und somit als Charaktereigenschaft der Metropolität eines Gemeinwesens anführen.

Dass gerade Großstädte der Vormoderne eine große Anziehungskraft auf ihr Umland und ihre Zeitgenossen hatten, ist eine Grundannahme der Metropolitätsforschung. Diese Anziehungskraft führte bei vielen Metropolen der europäischen Antike und des Mittelalters zu großer städtischer Strahlkraft, Reichtum und Wachstum. Im Umkehrschluss forderte dieser Erfolg aber auch besondere infrastrukturelle Leistungen zur städtischen Versorgung, ebenso wie zur Beseitigung von Unrat und Dreck, also zur Hygiene der Stadt. Dass diese Herausforderungen nicht immer und überall gleich gut gemeistert wurden, zeigen zeitgenössische Äußerungen über die nicht vorhandene Sauberkeit und den Gestank der Stadt. In dieser Perspektive möchte die Tagung danach fragen, wie diese negative Assoziation des (typisch) urbanen Gestanks als genuin metropolitan, also als Wesensmerkmal von (Groß-)Städten dargestellt wurde. Die Tagung greift somit jüngste Forschungsansätze zur Funktion und Erforschung von Sinnen und Sinneswahrnehmungen in historischer Perspektive auf (vgl. u.a. Mark Smith, Sensory history, Oxford 2007; Howes, David / Constance Classen. Ways of Sensing: Understanding the Senses in Society, London 2013; Smith, Mark M. A Sensory History Manifesto, Penn State University Press 2021) und verknüpft diese mit dem Diskurs zu vormoderner Metropolität und somit antiker und mittelalterlicher Stadtgeschichte. Ausgehend von diesem Interesse soll die Tagung zu neuen Denkanstößen zur Erforschung olfaktorischer Perspektiven auf vormoderne Städte führen.

Von besonderem Interesse ist diesbezüglich die Thematisierung von unangenehmen Gerüchen in Texten, da die Wahrnehmung von Gerüchen als angenehm und unangenehm zum einen individuell ist, zum anderen aber auch durch die jeweiligen gesellschaftlichen Vorstellungen geprägt ist, wodurch kultur- und sozialgeschichtliche Erkenntnisse zu erwarten sind. Daneben sollen aber auch Kunstwerke und archäologische Funde und Befunde ihren Platz finden, die Aufschluss über unhygienische und potenziell stinkende Verhältnisse in den Städten geben können und dadurch dem in den Texten transportierten Bild eine Kontrastfolie entgegenstellen.

Der Epochengrenzen überschreitende Ansatz möchte dabei den aus einer Forschungsperspektive ähnlichen und vergleichbaren Stadtmodellen der europäischen Vormoderne einen komparatistischen Raum geben, der zum einen die populärwissenschaftliche Dichotomie von „sauberer antiker“ und „dreckig, stinkender mittelalterlicher Stadt“ auflöst, zum anderen aber auch jene wirkmächtigen zeitgenössischen Bilder vormoderner Städte aus der Perspektive der Public History und somit auf ihre Funktion in der Prägung aktueller Geschichtsbilder vormoderner Metropolen befragt. Die Tagung ist daher interdisziplinär angelegt und möchte geschichtswissenschaftliche (Alte Geschichte; Spätantike, Mediävistik; Frühe Neuzeit; Public History bzw. Geschichtsdidaktik), literaturwissenschaftliche (Klassische Philologie und Mittellatein; Romanistik; Germanistische Mediävistik) und auch archäologische Perspektiven auf das Thema zusammenbringen.

Interessierte Kolleginnen und Kollegen bitten wir um ein max. 1,5 Seiten langes Abstract zu einem 20-minütigen Beitrag zur Tagung, der auf Deutsch oder Englisch gehalten werden kann.

Beitragsvorschläge können bis zum 30. April 2023 an per E-Mail an die Organisatoren der Tagung gesendet werden unter:

GRK.2337@geschichte.uni-regensburg.de

Tagungsort: Universität Regensburg
Gastgebende Institution: DFG-Graduiertenkolleg 2337 Metropolität in der Vormoderne; Universität Regensburg
Geplante Anzahl an Beiträgen: ca. zehn Beiträge
Beitragslänge = 20 Minuten zuzüglich zehn Minuten Diskussion
Reise- und Übernachtungskosten der Beitragenden werden übernommen
Tagungszeitraum: Donnerstag, 23. November 2023 bis Samstag, 25. November 2023

The malodorous metropolis? Olfactory perspectives on pre-modern metropolises

The potential of dealing with the subject area "unpleasant odours" has been demonstrated in relation to Rome by some contributions in the important anthology by M. Bradley (Smell and the Ancient Senses, London/New York 2015). From an archaeological perspective, G. E. Thüry’s 2001 book Garbage and Marble Columns has shown that the image of the clean Roman city is a modern romanticisation; this is different, however, when looking at the Middle Ages. The popular scientific view of the ‘Dark Ages’, which research has long resisted and with good reason, virtually evokes the image of the dirty, smelly medieval city. As correct as it is that research refuses to accept such sweeping judgments, it can nevertheless be profitable to look at texts and other sources from the period that cite a foul odour as a characteristic of the city or metropolis and thus as a feature of the metropolitan nature of a community.

It is a basic assumption of metropolitan studies that large cities of the pre-modern era exerted an especially strong centripetal force on their surrounding areas and their contemporaries. This attraction led to great influence, wealth, and growth in many metropolises of European antiquity and the Middle Ages. Conversely, however, this success also demanded special infrastructural services for urban supply, as well as for the removal of garbage and dirt, i.e. for urban hygiene. The fact that these challenges were not always and everywhere equally well mastered is shown by contemporary statements about the non-existent cleanliness and stench of the city. From this perspective, the conference wants to ask how this negative association of the (typical) urban stench was presented as genuinely metropolitan, i.e., as a characteristic of (big) cities. The conference thus takes up recent research approaches on the function and exploration of senses and sensory perceptions in a historical perspective (cf. among others Mark Smith, Sensory History, Oxford 2007; David Howes and Constance Classen, Ways of Sensing: Understanding the Senses in Society, London 2013; Mark M. Smith, A Sensory History Manifesto, Penn State University Press 2021) and links them to the discourse on pre-modern metropolitanism and thus ancient and medieval urban history. Based on this interest, the conference will lead to new ways of thinking about the study of olfactory perspectives on pre-modern cities.

Of particular interest in this regard is the thematization of unpleasant odours in texts, since the perception of odours as pleasant and unpleasant is on the one hand individual, but on the other hand also shaped by social ideas, whereby cultural and social historical insights can be expected. In addition, works of art and archaeological finds and findings will also have their place, since they can provide information about unhygienic and potentially smelly conditions in cities and thus provide a contrasting foil to the images conveyed in textual sources.

The approach, which transcends epochal boundaries, aims to provide a comparative space for urban models of European pre-modernity that are similar and comparable from a research perspective. On the one hand, this approach does away with the popular scientific dichotomy of ‘clean ancient’ and ‘dirty, smelly medieval city’, while on the other hand, it also questions those powerful contemporary images of pre-modern cities from the perspective of public history as well as the function of the former in shaping current historical images of pre-modern metropolises. The conference is therefore interdisciplinary and aims to bring together historical (Ancient History; Late Antiquity, Medieval Studies; Early Modern History; Public History and History Didactics), literary (Classics and Medieval Latin; Romance Studies; German Medieval Studies), and archaeological perspectives on the topic.

Interested colleagues are invited to submit an abstract of max. 1.5 pages for a 20-minute contribution to the conference, which can be given in German or English.

Proposals for contributions can be sent by April 30, 2023 via email to the meeting organizers at:

GRK.2337@geschichte.uni-regensburg.de

Kontakt

E-Mail: GRK.2337@geschichte.uni-regensburg.de